Gedanken eines Allensteiners: Die Deutschen, das selbstkritisch unterschätzte Volk?
Kürzlich ist im Bertelsmann Verlag die deutsche Fassung des Buches “Der deutsche Genius: Eine
Geistes- und Kulturgeschichte von Bach bis Benedikt XVI.” von Peter Watson erschienen.Der Verfasser hat jahrelang für „New Science”, „Times” und „Spectator” gearbeitet und ist gegenwärtig an einer der berühmtesten Hochschulen der Welt – der Universität Cambridge – tätig.
Der Autor konzentriert sich auf die deutsche Kulturgeschichte vom Ende der Barockepoche bis heute. Detailliert skizziert er das geistige Werden einer Nation, die zu spät geeint die Weltbühne betreten hat und von Anfang an durch die damaligen Mächte für gefährlich gehalten wurde. Gegenwärtig spricht man zwar von “German Angst”, aber das bezieht sich auf die nachdenkliche, sogar depressive Seele der Deutschen, die in der Romantik ihre Wurzeln hat.
Kein Deutscher, sondern ein Brite gibt sich Mühe, diese Schwermut abzubauen, und stellt in sechs Teilen des Buches die Spuren des deutschen Genius vor, der die philosophischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen des modernen Weltbildes gelegt hat. Darunter auch auf dem Gebiet der materiellen Geschichte – der Blick wird auf Forschungsarbeiten von Siemens bzw. Zeiss gerichtet, so dass ein kompliziertes Bild von Wissenschafts- und Kulturträgern entsteht, die Deutschlands weltweiten Ruf begründet haben.
Positive Rezensionen u.a. von Deutschlandradio Kultur und der Frankfurter Rundschau sind die ersten Boten dafür, dass man sich in der Bundesrepublik Deutschland auch mit ruhmreichen Persönlichkeiten und Fakten aus eigener Geschichte vertraut machen will. Für Peter Watson ist es selbstverständlich leichter, ehrlich über Deutschland und Deutsche zu schreiben, weil solche Worte, von Deutschen veröffentlicht, fälschlicherweise und unbegründet als nationalistisch gedeutet und pauschal als „rechts“ abgelehnt worden wären.
Was in den Jahren 1933-1945 unmoralisch, verbrecherisch, menschen- und weltschädlich, also wider die humanistisch-christlichen Werte, die Wurzeln unserer europäischen Kultur gewesen ist, war eindeutig Barbarei. Auf diese 12 Jahre darf aber die Geschichte unseres Volkes nicht reduziert und alles andere abgewertet werden – die Leistung eines Volkes, das für Länder unseres Kontinents zwischen Maas und Wolga das Erbe des Römischen Reiches bewahrt, allen Völkern dieser Erde klar gemacht hat, dass sie um die Sonne kreist, und diese Neuigkeit in Schriftform verbreitet hat, eines Volkes, das zwischen dem Anbeginn des 18. Jahrhunderts und dem Anfang der Nazizeit mehr Nobelpreisträger als Amerika und England zusammen hervorgebracht hat. (Thomas Mann hat über diesen Zeitraum einst „Kann man Musiker sein, ohne Deutscher zu sein?“ gesagt). Warum werden wir immer noch geschmäht? Weil jene, die nur zerstören können und selbst nichts geschaffen haben, uns beneiden!
Von den dunklen Geschehnissen unserer Geschichte wissen bereits alle und wir bestreiten sie nicht, aber schämen kann man sich doch nicht ewiglich – insbesondere für die Taten, die wir – junge Deutsche außerhalb der deutschen Staatsgrenzen – nicht begangen haben. (Um so mehr, da Adolf Hitlers Partei niemals durch die Mehrheit der Deutschen gewählt wurde, was viele leichtsinnig vergessen!)
Unsere gegenwärtige Aufgabe gleicht der unserer Ahnen – die Fackel der Wissenschaft, des Fortschritts und der Aufklärung zu unseren Nachbarn zu tragen, damit sie ein positives Bild des Deutschtums bekommen, und damit eine Ordnung vergleichbar der des 19. Jahrhunderts wiederkehrt – einer Zeit, in der die Völker Europas im Frieden lebten und jeder Herr seines eigenen Lebens war.
Wer sich vorstellt, dass die glorreiche Zeit der “deutschen Renaissance” mit dem letzten Weltkrieg zu Ende gegangen ist, der sollte sich vergegenwärtigen, wie schnell das Wirtschaftswunder folgte, dass die Deutsche Mark in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts zur sichersten Währung der Welt wurde, wie die Weltkrise erfolgreich in Deutschland bewältigt wird, wo die meisten Autos hergestellt oder in welche Sprache die meisten Bücher übersetzt werden. In Deutschland marschiert keiner im Stechschritt mehr und wir sind stets eine Avantgarde Europas und der Welt. Zunächst hat man aber zu wissen, womit man sich rühmen kann – daher ist diesem Buch im deutschsprachigen Raum möglichst weite Verbreitung zu wünschen, aber auch bei uns im ostdeutschen Kulturraum – im Westen sind Deutsch und deutsche Kultur Alltag, es erfreut aber unsere Herzen, wenn wir die Ahnensprache auf den Allensteiner Straßen wieder mal hören – für uns ist das Deutsche immer noch kostbar, und es wird hierzulande sehr geschätzt.
Alexander Bauknecht (2011)
Alexander Bauknecht ist Chefredakteur der „Allensteiner Nachrichten“, er lebt seit seiner Geburt in Allenstein. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der „AN“ und des Verfassers.