Kirchenrenovierung in Lubasch August 2013

„Das Eis und die Werkzeuge waren gebrochen“

Vom 4. bis zum 11. August 2013 führten die LOW-Landesgruppe Bayern und der Bund Junges Ostpreußen gemeinsam ein Jugendprojekt zur Rettung der früheren evangelischen Kirche in Güldenau (Prov. Posen) durch. Die Geschichte der Kirche wurde im PREUSSEN-KURIER Nr. 2/2012 beschrieben und soll an dieser Stelle nicht im Einzelnen wiederholt werden. Lassen wir statt dessen die beteiligten Jugendlichen, Helfer und Organisatoren zu Wort kommen und die Bilder sprechen:

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Hauptportal der Güldenauer Kirche mit zerstörtem Turm

Caroline Ballweg (16 J.) und Antonia Kritzer (15 J.), Gymnasiastinnen aus Unterfranken:

Republik Polen – ein unübliches Urlaubsziel, dennoch entschlossen wir uns etwas spontan, an dem von Camilla Manka und Rainer Claaßen organisierten Projekt zur Begegnung zwischen Jugendlichen teilzunehmen. Neben der Restaurierung einer Kirche in Westpreußen sollten wir Land und Leute besser kennenlernen. Voller Vorfreude machten wir uns Sonntagmorgen auf den Weg und trafen nach langer Autofahrt abends erstmals auf die Jugendlichen aus Ostpreußen. Nachdem wir uns gegenseitig von der Unwahrheit sämtlicher Klischees überzeugt hatten, verbrachten wir einen fröhlichen Abend miteinander. Vor allem bei den Restaurierungsarbeiten an der Kirche, die wir gern und motiviert getan haben, wurde es wieder einmal deutlich, wie sehr gemeinsame Ziele Menschen zusammenbringen. Das Eis und einige Werkzeuge waren schnell gebrochen. Zusammen mit polnischen Jugendlichen aus dem Ort Güldenau/Połajewo, die sich zu uns gesellten, sind wir in dieser Woche sehr weit gekommen.

Durch unsere Anstrengungen weckten wir das Interesse der Dorfbewohner, nicht zuletzt durch die Staubwolken, die beim Putzabklopfen entstanden. Untergebracht waren wir in Lubasch, wo uns der Badesee mit Sandstrand eine willkommene Abkühlung bot und von uns sofort zu unserem Treffpunkt erklärt wurde.

Mariusz Zandon (37 J.), Polizeibeamter und Eigentümer des Kirchengebäudes:

Ich bin sehr froh, dass es dazu gekommen ist, dieses Projekt zu realisieren. Ich hoffe auf weitere Zusammenarbeit, um dieses Vorhaben zu erweitern. Ich denke, dass wir eine richtige europaweite Pionierarbeit geleistet haben. Das zukünftige Kultur- und Dialogzentrum wird uns allen dienen. Ich möchte meinen herzlichen Dank aussprechen und jederzeit sehr gerne nach Güldenau einladen!

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In den Gesichtern spiegelt sich Ratlosigkeit – „was können wir hier schon machen?“ „Kirchenbesitzer“ Mariusz Zandon (links) erklärt, was getan werden soll und kann

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Doch zwanzig Minuten später hat jeder seinen Platz und sein Werkzeug gefunden!

 

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Mit vereinten Kräften und viel grobem und feinem Schmirgelpapier werden die Rahmen der ausgebauten Fenster abgeschmirgelt, bis das matt glänzende Holz sichtbar ist

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Christian beschäftigt sich sofort mit dem bröckeligen Mauerputz – zwei Stunden später wird er schon bis an die Knie im Schutt stehen…

Siegfried Zandon (68 J.), Bahnpolizeibeamter i. R. und Vater von Mariusz Zandon:

Hiermit möchte ich mich recht herzlich bei Ihnen, der deutschen Jugend und der Gruppe aus Allenstein bedanken, dass Sie alle so fleissig bei der Renovierung der Kirche meinem Sohn geholfen haben. Diese Kirche soll in Zukunft als Dialogzentrum dienen. Sie wird ihre Tore für die Kultur, Toleranz, Freundschaft und Religion allen Generationen öffnen. Ich möchte das besonders betonen, dass ich sehr gerne mit dieser sympathischen Jugendgruppe sowie mit Ihnen gearbeitet habe. Ich bin 1945 in Leihgestern bei Giessen geboren und es ist nicht so weit von der Gegend woher ihre Gruppe kommt.

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Iris und Tobias haben noch Energie!

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Wie viele Fenster so eine Kirche hat…

 

 

 

 

 

Auch Lea (4 1/2 Jahre) hilft mit!

Auch Lea (4 1/2 Jahre) hilft mit!

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…während Christian auf dem Hänger pennt!

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Edyta und Rainer genießen erschöpft die Mittagspause…

Rainer Claaßen (47 J.), Fahrdienstleiter, landsmannschaftlicher Organisator und „Reiseleiter“:

Aufgrund der kurzfristigen Erkrankung einer Teilnehmerin mußten wir die Gruppe teilen; diejenigen, die Thorn schon kannten, fuhren von Lubasch über Hinterpommern in die Kaschubei, um auszukundschaften, ob die „Touristenmagnete“ überlaufen seien. Dies war zwar der Fall, für den mir bekannten „Geheimpunkt“ in der Nähe von Stolp traf dies erwartungsgemäß aber nicht zu – trotz Hauptsaison, man kann es dennoch kaum glauben! So konnten wir die weitere Route besser planen. Leider muß- ten wir den vorgesehenen Besuch der Marienburg ausfallen lassen, da wir es wegen des starken Be- sucherandranges sonst zeitlich nicht geschafft hätten. Dafür planten wir einen Besuch im Schloß Krockow ein sowie in der unmittelbar daneben liegenden Außenstelle des Westpreußischen Landesmuseums. Dies war ein Ersatz, der uns nicht nur zeitlich „Luft“ verschaffte, sondern auch noch im Zusammenhang mit unserem bisherigen Programm stand – und wie sich herausstellte, waren auch unsere Allensteiner noch nie hier gewesen!

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Endlich ist es Abend – im See wird der „Kirchenstaub“ abgewaschen!

 

 

 

 

 

 

 

 

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Lea genießt bei Mama Kaja ihr Eis

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Tobias hat etwas erspäht!

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Krockow aus fuhren wir dann ans westliche Ende des Lebasees, der unmittelbar an die Ostsee angrenzt. Dort hatten wir die erwünschte Gelegenheit, im Meer zu baden und gut zu essen, ehe wir unsere Fahrt wieder in Richtung Lubasch fortsetzten.

Nochmals Caroline Ballweg und Antonia Kritzer:

Natürlich darf der kulturelle Aspekt nicht fehlen. Also besichtigten wir Thorn und Danzig. Obwohl die meisten Stadtführungen ziemlich akademisch ausfallen, war die Führung in Thorn nicht nur informativ, sondern auch kurzweilig und unterhaltsam. Zum Ende hin streichelten wir alle eine Froschstatue am Brunnen, was, wie die Stadtlegende besagt, eine Wiederkehr nach Thorn versichert.

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Thorn: Die Gruppe strebt dem Alten Rathaus zu

Auch Danzig, wo wir ebenfalls eine Stadtführung bekamen, hat uns sehr gut gefallen. Sowohl in Thorn als auch in Danzig aßen wir Gerichte der traditionellen polnischen Küche, die mit der preußischen recht verwandt ist. Während dieses „Abstechers“ verbrachten wir zwei Nächte in einem Volkswagen-Museum am Rande der Kaschubischen Schweiz (www.vwmuseum.pl). Abends saßen wir am Lagerfeuer und sangen Karaoke. Wir alle waren begeistert von den alten VW-Bussen, und es flossen sogar ein paar Freudentränen, als wir – ein weiterer Höhepunkt! – eine Fahrt mit einem „Bulli“ machen durften! Unsere Wehmut beim Abschied am Freitagmorgen verflog, als wir nach einem Besuch des Schlosses in Krockow (mit Familienmuseum) und der dortigen Filiale des Westpreußischen Landesmuseums noch einen Ausflug an die Ostsee machten. Trotz kalten Windes ließen wir uns nicht davon abhalten, baden zu gehen. Viele Fotos später war es an der Zeit, nach Lubasch zurückzufahren, wo wir wieder gastfreundlich aufgenommen wurden.

Joachim Scheuring (60 J.), Landesbeamter a. D. und als Fahrer und Betreuer dabei:

Es war eine wunderschöne Zeit der Begegnung mit interessanten Menschen in einem schönen Land. So funktioniert für mich Völkerverständigung effektiver als durch Reden und Absichtserklärungen. Ich kann die Republik Polen, insbesondere die früheren preußischen Gebiete, als Reiseland jedem sehr empfehlen; vor allem denen, welche immer noch (unberechtigt) alten Vorurteilen und Klischees über die Polen nachhängen!

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Stadtführung in Danzig durch den deutschen Mitarbeiter des Stadtarchivs Christoph Jachimowicz (rechts), der seit Jahren die landsmannschaftliche Arbeit in Danzig aktiv begleitet

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Bulli fahren macht glücklich – besonders wenn man’s noch nie gemacht hat…

 Nochmals Rainer Claaßen:

Bei unseren Jugendgruppen ist man – Gott sei Dank – Disziplin gewöhnt. Ich habe bisher noch nicht erlebt, daß jemand in unverhältnismäßiger Weise über die Stränge schlug. Das war auch bei dieser Gruppe nicht der Fall. Ein Kompliment nicht nur an die jungen Leute für ihr vorbildliches Verhalten, sondern ebenso an die Eltern! Für mich war diese Fahrt ein Beweis dafür, daß die Jugend nicht so schlecht ist, wie oft behauptet wird, sondern daß man, wenn man ihr Vertrauen entgegenbringt, auch mit Vertrauen „belohnt“ wird! Also: mit Euch fahre ich jederzeit gerne wieder los!

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Könnte es nicht ein Werbefoto aus einem Volkswagen-Katalog sein…? Dieses wunderhübsche Marjellchen ist die Allensteiner Regionalvertreterin der ostpreußischen Jugend, Kamila Mańka!

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Noch heute fliegen dem Karmann-Ghia die Frauenherzen nur so zu; auch wenn er scherzhaft „Sekretärinnen-Porsche“ genannt wurde, so ist und bleibt er doch eines der schönsten deutschen Autos, die es je gegeben hat – und das mit der Solidität des Käfers!

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Ein „Museum zum Anfassen“ – das hat etwas, finden Lena und Antonia!

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Caroline schneidet ihre Geburtstagstorte an

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Abends am Lagerfeuer finden sich noch andere Gäste ein – es geht hier sehr familiär zu!

 Nochmals Caroline Ballweg und Antonia Kritzer:

Im Allgemeinen ist uns die große Gastfreundschaft aufgefallen. Nicht nur in den beiden Unterkünften (wo wir dank der Förderung durch den Freistaat Bayern kostenlos übernachten durften!), sondern auch dadurch, daß am Geburtstag einer Teilnehmerin diese einen Frühstückskuchen und eine Geburtstagstorte bekam!

In dieser Woche haben wir das wirkliche Ziel, nämlich die Begegnung und Knüpfung von Freundschaften zwischen Jugendlichen verschiedener Staaten, wirklich erreicht, so daß wir die Fahrt unbedingt wiederholen wollen!

Markus Jahns (45 J.), Gastwirt und Gründungsmitglied des Lubascher „Arbeitskreises für Kultur und Heimatgeschichte“:

Für mich als Gastwirt zählte diese Projekt-Gruppe als unkompliziert und ausgesprochen nett. Man konnte eine fröhliche und freundliche Atmosphäre hautnah spüren. Die jungen Leute waren energisch und diszipliniert. Ich hoffe, dass das gemeinsame Projekt weitergeführt wird und dass ich die netten jungen Menschen wieder als Gäste in meinem Hause empfangen werde.

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Von Krockow aus ging es an die Küste – alle wollten im Meer baden!

 

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Hinterher wurde natürlich lecker gegessen –

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– Baden im Meer macht eben hungrig

 

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Abschlußveranstaltung in der Kirche: Dichterlesung mit Maja Rybarczyk – in Deutsch und Polnisch!

Nochmals Rainer Claaßen:

Mit einer Abschlußveranstaltung wurde die Kirche als Kultur- und Dialogzentrum symbolisch eröffnet.
Natürlich war es noch immer sehr staubig, aber man konnte doch schon sehen, daß es wesentlich
anders aussah als zu Anfang. In dieser Atmosphäre fand die Dichterlesung von Maja Rybarczyk aus
Lubasch statt; die junge Frau ist von Geburt an gelähmt und sitzt im Rollstuhl, sie lernt Deutsch und
war zu recht stolz darauf, sich nicht nur in polnischer, sondern auch in deutscher Sprache vorstellen
zu können. Die von ihr verfaßten Gedichte wurden in beiden Sprachen von ihr sowie von anwesenden
Teilnehmerinnen vorgelesen und wirkten an diesem Ort sehr ergreifend. Ein schönerer und symbolischerer
Abschluß war schwer vorstellbar – mit dieser Lesung war unser Arbeitseinsatz zu Ende!

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Hier waren wir untergebracht – Teilgruppenfoto nach der Kulturveranstaltung!